Was bedeutet es, wenn auf einem Saatgut-Tütchen der Begriff “samenfest” steht? Und was heißt eigentlich sortenrein? Wir erklären euch, worauf es ankommt.
Schaut ihr mal genauer auf die Saatgut-Tütchen, die ihr im Baumarkt, im Supermarkt, in der Drogerie oder sonstwo einkauft, werdet ihr folgende Begriffe entdecken: F1-Hybride – oder auch samenfest und sortenrein und nachbaufähig. Doch was steckt eigentlich hinter diesen Wörtern? Und warum solltet ihr vermehrt drauf achten?
Das bedeutet samenfest und sortenrein:
Wer eine neue Gemüsesorte züchtet, der sorgt für bestimmte Eigenschaften wie Farbe, Geschmack, Wuchshöhe … Wenn ihr nun von der Sorte Samen gewinnt, nennt man diese samenfest, wenn die Nachkommen dieselben Eigenschaften wie die “Mutterpflanzen” haben. Sortenrein sind die Samen, wenn eben genau eine Sorte beim Nachzüchten herauskommt. Das heißt: Euer Saatgut-Tütchen enthält auch nur die Samen für eine Sorte. Nachbaufähig heißt, dass die Pflanzen Samen bilden.
Sogenannte F1-Hybride bringen diese drei Eigenschaften oft nicht mit. Das hat verschiedene Gründe:
- Grund 1: Viele Menschen, die einen Garten oder Pflanzen auf dem Balkon haben, wollen keinen Stress mit aussamenden Pflanzen. Auch wir kennen das zu gut: Unsere Goldrute zum Beispiel macht sich regelmäßig selbstständig, sehr zum Unbill unserer Nachbarn.
- Grund 2: Achtung, das klingt nun für einige nach Chemtrails und Aluhut – gewisse Firmen, die Samen herstellen, möchten das Monopol und damit die Hoheit über ihr Saatgut behalten. Heißt: Ihr sollt nicht eure eigenen Samen gewinnen, sondern schön jedes Jahr wieder neue kaufen.
- Grund 3: Bestimmte Eigenschaften sollen in den Vordergrund gestellt werden. Um diese zu gewährleisten, kreuzt man immer wieder zwei Sorten miteinander – und lässt die Tochtergeneration dann keine Nachkommen bilden.
Das mag für euch als Hobbygärtner nicht ganz so fürchterlich klingen, weil ihr euren Garten sowieso jeden Frühling bei Null startet und alles neu plant? Die Frage ist eben, was danach kommt:
- Wenn eure Pflanzen keine Samen bilden, braucht’s auch keine fruchtbare Blüte, von deren Nektar Bienen und andere Nützlinge leben.
- Wenn man Pflanzen so manipuliert, dass sie sich nicht mehr natürlich fortpflanzen, gibt es immer weniger bis gar keine Vielfalt mehr.
- Und: Wer Pflanzen so verändert, dass sie sich nicht mehr fortpflanzen, kontrolliert auch, auf welche Schädlinge sie ansprechen oder gegen welche sie resistent sind. Und macht die Pflanzen unter Umständen abhängig von Pestiziden (die natürlich auch teuer verkauft werden).
Ich bin jetzt wirklich kein Verschwörungstheoretiker, aber durch meine hippie-esk angehauchte Gartenbau-Ingenieurs-Mama eindeutig vorgeprägt. Der Begriff „F1-Hybride“ schwebte schon in meinen Kindertagen bei uns durchs Haus und wurde höchst verächtlich behandelt.
Deshalb nun:
Was bedeutet F1-Hybrid(e)?
F1-Hybride ist ein Begriff aus der Vererbungslehre. Jaha, ihr braucht als Hardcore-Hobbygärtner nicht nur Mathe (siehe unser Schnurgerüst), sondern auch noch Bio. Gut, das liegt ja auch nahe. Ich zerlege das Wort mal, dann wird’s ein bisschen leichter verständlich. F1 bedeutet nach dem guten alten Gregor Mendel die erste Tochtergeneration, das F steht für filia (Lat. für “Tochter”). Ein Hybrid ist das Ergebnis einer Kreuzung zweier Dinge. Ihr kennt das vielleicht vom Autokauf: Hybrid-Modelle sind Pkw, die einen Elektro- und einen zweiten Antrieb in sich vereinen.
Zurück zu unserem samenfesten Saatgut: F1-Hybride sind also Pflanzen der ersten Tochtergeneration einer bestimmten Kreuzung. Warum kreuzt man sich die F1-Hybride herbei? Weil man ganz besondere Merkmale herausarbeiten will. Zum Beispiel sollen die Wassermelonen keine Kerne haben oder die Früchte sollen besonders groß sein oder eine bestimmte Farbe haben. Der Begriff F1-Hybrid impliziert, dass die Pflanze besondere Fähigkeiten hat. Deshalb sind die Samen mit diesem Zusatz auch oft teurer als „normale“. Was nach der F1-Generation kommt, also mit welchen Eigenschaften die F2-Generation das Licht der Welt Beete erblickt? Das weiß vorher keiner so genau. F1-Hybride sind nicht samenfest. Sollten sie fruchtbar sein, erhält man unter Umständen einen wilden Pflanzenmix. Kann auch spannend sein!
Warum der Begriff in meinen Ohren einen so negativen Beiklang hat? Ganz einfach: Der Weg dahin ist das, was mir Sorgen bereitet. Die Vorfahren der F1 werden durch nicht-natürliche Auslese und oft auch Überzüchtung auf ein Merkmal hin getrimmt. Heißt: Vielfalt geht verloren, manchen „Fehlern“ wird dafür eine Angriffsfläche geboten. Denkt mal an den Mops (ja, die Hunderasse). Der wurde auch sehr bewusst so kurznasig gezüchtet, dass mittlerweile jeder Welpe eine Korrektur-OP bekommen muss, damit das Tier vernünftig atmen kann. Was ich sagen will: Nicht alles lässt sich weg- oder herbeizüchten, wie man will – jedenfalls nicht ohne Konsequenzen! Da wir Verfechter des Prinzips natürliches Gärtnern sind, verzichten wir auf F1-Hybride.
Patente auf Saatgut und Sortenschutz
Wer sich über F1-Hybride Gedanken macht, kommt auch um die Themen Patent auf Saatgut und Sortenschutz nicht vorbei. Denn: Die Züchter bzw. diejenigen, die Saatgut vertreiben, können beim Bundessortenamt Sortenschutz anmelden. Und, dass sie mit den Sorten handeln wollen. Die Rechte gelten für 25 bis 30 Jahre. Kosten: Rund 200 Euro pro Sortenanmeldung, für den Handel mit den Sorten noch einmal 30 Euro. Klingt jetzt nicht so viel? Wenn man drüber nachdenkt, dass es weltweit 15.000 Tomatensorten oder knapp 5.000 Apfelsorten gibt, doch ganz schön viel Geld. Und bedeutet eben auch, dass ihr nicht nur die Samen selbst bezahlt, sondern auch das Sortenamt. Oder eben den Inverkehrbringer der Samen.
Noch deutlicher wird das bei den Patenten auf Saatgut. Theoretisch ist beim Europäischen Patentamt nicht erlaubt, Tiere oder Pflanzen – sprich: Lebewesen! – patentieren zu lassen. Aber: Es gibt einige Ausnahmen. Diese Patente muss man, ähnlich wie GEMA-Gebühren, beim Kauf des Saatguts mitbezahlen. Im Prinzip nicht so schlimm, vor allem nicht für Hobby-Gärtner. Kommt aber natürlich immer auf die Höhe der Gebühren an. Und was alles drin enthalten ist. Darf ich das Saatgut selbst vermehren? Darf ich es weitergeben? Darf ich Produkte daraus verarbeiten? Und diese dann weitergeben?
Und: Beim Saatgut steht es wie mit dem Geld – immer mehr Sorten gehören immer weniger Unternehmen.
Initiativen gegen Sortenschutz und Patente
„Leben ist keine Erfindung“ – kritisieren von Greenpeace und andere Beteiligte der Aktion „no patents on seed“ dieses Vorgehen. Der Hintergrund bzw. das große Ziel, das dahinter steht: Dass Dinge wie Tiere und Pflanzen nicht in die Kontrolle einzelner Konzerne gelangen.
„Saatgut ist Kulturgut“ – dafür steht der Anbieter Bingenheimer Saatgut. Der mich mit einer Befragung neulich einmal mehr zum Nachdenken über dieses Thema angeschubst hat. In der Umfrage ging es u. A. darum, ob und wie viel man für sortenreines und samenfestes Bio-Saatgut zu bezahlen bereit wäre. Und welche Art von Lizenz (und deren Preis) man dafür in Kauf nehmen würde.
Ihr wollt noch mehr zum Sortenschutz erfahren? Dann lest euch doch einmal hier hinein: Der NDR hat im vergangenen Jahr sehr ausführlich über das „verbotene Gemüse“ berichtet.
Wie erkennt ihr samenfestes Saatgut?
Wie ihr samenfestes und sortenreines Saatgut erkennt? Es steht in der Regel drauf bzw. in der Beschreibung eures Herzensanbieters. Entweder in den einzelnen Sorten oder aber in der „Botschaft“, also der zentralen Ansprache. Manchmal werden die Begriffe samenfest, sortenrein und nachbaufähig auch synonym verwendet.
Achso: Ob die Pflanzen ein- oder mehrjährig sind, hat damit nichts zu tun. Es gibt sehr wohl samenfestes Saatgut, das nur eine Saison schafft. Es geht bei dem Begriff ja nur, ob die Pflanze Samen bilden kann oder nicht.
Wie kommt ihr an samenfestes Saatgut?
Wer sich nun fragt: Wie komme ich denn an samenfestes Saatgut? – Ganz einfach beim richtigen Anbieter. 🙂 Sortenreines und samenfestes Saatgut vertreiben unter Anderem:
Haben wir schon ausprobiert und für sehr, sehr gut befunden! Eine ausführliche und aktuelle Liste mit noch weiteren Anbietern führt Gabriele von anstattdessen.
Drei Fakten rund um (samenfestes) Saatgut
- Auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen schlummert ein Hightech-Tresor in einem Berg, der Global Seed Vault. Darin: Saatgut der wichtigsten Nutzpflanzenarbeiten. Im Falle eines Atomkrieges oder einer Naturkatastrophe sollen das (samenfeste!) Saatgut die Ernährung der Menschheit gewährleisten. Eingerichtet wurde der Saatgut-Speicher im Jahr 2008. Benutzt wurde er bisher einmal – im Jahr 2015 von Syrien.
- Der wohl bekannteste (und am meisten angefeindete) Konzern für Herstellung und Vertrieb von Saatgut heißt Monsanto, ursprünglich ein Chemie-Hersteller, mit Sitz in den USA. Bekannt sind außerdem ein weiterer US-Konzern: E. I. du Pont de Nemours and Company (kurz: DuPont), ursprünglich bekannt für Sprengstoff-Herstellung, sowie die Schweizer Firma Syngenta – eine Ausgründung von Novartis und AstraZeneca. Diese Unternehmen sind übrigens sowohl in der Saatgutherstellung marktführend als auch in der sogenannten Agrochemie tonangebend. Stellen also auch gleich zum Saatgut passende Düngemittel und Pestizide her. Aktuell schraubt Bayer an der Übernahme von Monsanto.
- „Saatgut: Wer die Saat hat, hat das Sagen“ – Anja Banzhaf hat eine noch größere Abhandlung über das Thema geschrieben als ich jetzt hier. Wer mag, liest einfach dort weiter. 🙂
2 Kommentare
Der erste Link zu den Saatgutvertreibern funktioniert nicht
Danke für den Hinweis, Link ist wieder funktionstüchtig. LG